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DER FALTER 09/13
Die Figur des gefesselten Kriegers ist ca.
130 cm groß und kniet auf einem stei-
nernen Sockel. Für die Figur habe der
damals bekannteste Kitzinger Sportler
Josef Rittmann Modell gestanden. Arme
und Hände des Kriegers sind hinter dem
Rücken gefesselt, eine Schlange umringt
seine Beine, sein Blick ist resignierend
gen Himmel gerichtet. In der Lokalpresse
jener Tage wird die Symbolik der Statue
ausführlich erklärt:
„Uns Lebenden soll es Tag für Tag die
Schwere des Weltkrieges und dessen
fürchterliches Ende vor Augen führen,
soll uns täglich lebendiger Hinweis sein
auf den Diktatfrieden von Versailles,
dessen Fesseln unser ganzes deutsches
Volk in all seinen Schichten knebelt und
lähmt, soll uns ein mahnendes Zeichen
sein, dass wir abgehen müssen von dem
bisherigen Weg, der unser Volk zerklüf-
tet und zersplittert, und dass wir uns
als Notgemeinschaft unseres Volkes zu-
sammenschließen, dass wir in kraftvoller
Einigkeit dastehen müssen, wenn wir er-
warten wollen, dass sich die Fesseln des
Versailler Friedensvertrages lockern und
von uns genommen werden sollen … So
soll uns dieses Denkmal zu innerer Ein-
kehr und ernstem Nachdenken veranlas-
sen.“ Die Enthüllungsfeier solle zugleich
ein Aufruf sein, „dass wir uns alle fühlen
als Kinder eines großen deutschen Vater-
landes.“
Ursprünglich waren folgende Inschriften
in den Sockel gemeißelt – sie sind heute
durch die Verwitterung weitgehend unle-
serlich geworden:
„Denkt stets an des Vaterlandes Knech-
tung nach dem Weltkrieg 1914 – 18“
(auf der rechten, zur Stadt gewandten
Seite) und auf der Vorderseite:
„Feiger Gedanke,
Bängliches Schweigen,
Weibliches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.
Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen
Rufet die Arme
Der Götter herbei.“ (Goethe)
20 Jahre nach der Einweihungsfeier, fast
auf den Tag genau, ließen die Amerika-
ner am 5. Mai 1945 das Denkmal ent-
fernen. Mehr als ein Jahrzehnt lag es im
Bauhof, ehe es am 23. Mai 1956 wieder
aufgestellt und mit einer neuen Inschrift-
tafel versehen wurde:
„Vergesst unsere Kriegsgefangenen, Ver-
schleppten und Vermissten nicht!“
Im Landkreis Kitzingen gibt es ca. 150
Kriegerdenkmäler.Wie kaum ein anderes
Denkmal verdeutlicht die Figur des ge-
fesselten Kriegers den grundsätzlichen
Wandel der Wertvorstellungen und Mo-
tive.
Richard Rother
wurde 1890 in
Bieber im Spes-
sart geboren. Er
besuchte Kunst-
schulen
und
-akademien in
Nürnberg, Mün-
chen, Offenbach
und Frankfurt.
1914 nahm er
am I. Weltkrieg
teil und wurde 1917 in der Champag-
ne schwer verwundet. Nach Kriegsende
lebte er mit seiner Mutter zunächst in
Kitzingen, dann in Fröhstockheim, wo er
auch seine Frau kennenlernte und 1920
heiratete. Später baute er sich am Kitzin-
ger Galgenwasen Wohnhaus und Atelier.
Rother ist vor allem durch seine unzäh-
Richard Rother und seine Auftragge-
ber wollten damals die Schmach einer
schmerzhaften Niederlage ins immer-
währende Gedächtnis rufen, zum Wi-
derstand ermuntern und nationalistische
Ideen bestärken. Insofern ist das Denk-
mal also auch Zeugnis eines historisch
konkreten Zeitgeistes.
Heute denken wir anders - vor allem
auch dank geschichtlicher und aktueller
Erfahrungen - unser Verständnis zu Na-
tionalismus und Krieg hat sich grundle-
gend gewandelt. Versöhnung und Frie-
denssehnsucht sind die entscheidenden
Motive.
Der „Tag des offenen Denkmals“ hätte
die Chance geboten, die Geschichte des
Denkmals auf der Alten Mainbrücke ins
Gedächtnis zu rufen und das Bewusst-
sein der Menschen für beides – also
das Denkmal und seine Geschichte - zu
schärfen, an dem Tag für Tag hunderte
von Passanten vorübergehen, ahnungs-
und kritiklos. Eine entsprechende In-
schrifttafel wäre folglich wünschenswert.
Der Autor dankt ausdrücklich Frau Doris
Badel, der Stadtarchivarin von Kitzingen,
die ihm zum Denkmal auf der Mainbrücke
wertvolle und sehr ausführliche Informatio-
nen geliefert hat; ohne ihre Mitwirkung wäre
dieser Beitrag nicht möglich gewesen.
Dr. Hans Bauer,
Heimatpfleger Landkreis Kitzingen
ligen Holzschnitte bekannt geworden.
Besonders liebenswert sind seine zahl-
reichen „Exlibris“-Motive; sein großer
Bekanntheitsgrad allerdings ist auf sei-
ne Darstellungen weinseliger Genießer,
knorriger Häcker und Bauern zurückzu-
führen, die in zahllosen Kopien in vielen
Gastwirtschaften Frankens hängen und
sich in das optische Gedächtnis einge-
prägt haben. Zum Abschluss von Flurbe-
reinigungen und Weinbergsumlegungen
schuf Rother seine markanten Denkmäler
aus Muschelkalk.
Richard Rother hat mehrere bedeutsame
Preise erhalten, u.a. war er Kulturpreisträ-
ger der Städte Würzburg und Kitzingen.
Eine Schule trägt seinen Namen. 1980
starb er im hohen Alter von 90 Jahren.
Sein Grab befindet sich in der Südweste-
cke des Friedhofs an der Hohenfelder
Bergkirche.
Vielleicht ist es an der Zeit, die Person
des Richard Rother etwas detaillierter als
bislang zu betrachten. Es genügt wohl
nicht, seine künstlerischen Verdienste
um die Weinkultur und die fränkische
Lebensart zu betonen. In seinen Werk-
und Lebensbeschreibungen werden die
Kriegerdenkmäler nicht gewürdigt, die
er in den 20er Jahren des 20. Jahrhun-
derts für mehrere Orte des Kitzinger
Landes schuf. Und sein gestalterisches
Wirken in den Jahrzehnten nach dem
I. Weltkrieg kennen wir bislang nur aus
seiner eigenen Biographie.
Wo sonst könnte die differenzierte Neu-
bewertung angegangen werden, wenn
nicht in Kitzingen?
Foto: Hans Bauer
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